Friday, November 17, 2006

life 2.0

also jetzt mal ehrlich: dieses ganz web 2.0-ding nervt doch einfach nur noch! ok ok, ich hab ja auch dabei mitgemacht. und mache es gerade wieder. verdammt! naja, vielleicht habe ich ja einfach daran geglaubt: so von wegen das internet wird zur freiheit des individuums, des wissens, der information und so fort beitragen. visionärer gedanke, kann man ja mal mitmachen, dachte ich (vielleicht etwas naiv oder selbstverliebt oder beides).

und bloggen - weil schreiben - fand und finde ich immer gut. und myspace - weil musik - habe ich mir dann auch noch gefallen lassen. doch nun kommt das: DAS studiverzeichnis. muss ja - weil studi - gut sein, könnte man meinen. aber die wochenlangen, meist penetranten nachfragen von studienkollegen, ob man denn nicht schon angemeldet sei, sollten die alarmglocken lauter läuten lassen, als die des kölner doms (hätte ich mal drauf gehört).

aber als mensch 2.0 muss man eben alles mitmachen. sei es aus spieltrieb, neugier, narzismus oder purer langeweile. das haben fleissige medienwissenschaftler (on the frontier of science) sicher schon alles genaustens untersucht. der grund für meine anmeldung bei studivz.de war viel gewichtiger und wenig ehrenhaft: gruppenzwang. nicht dass ich unbedingt überall zwanghaft dazu gehören muss (im gegenteil)! und dass ich mal studi war (und jetzt wieder bin) beweist mir der eine euro, den mir die freundliche mensakassiererin bei jeder "tofuschnitte hawaii" abzieht. und das auch ohne vorlage des studiausweisses! ja, ich muss es nicht mal fremden beweisen! ich gehöre schon vom erscheinungsbild her dazu (sollte mir zu denken geben, aber das ist hier jetzt nicht thema)...

gruppenzwang also, und der kommt so daher: "komm! meld dich doch an! ich habe auch schon 27 freunde." und hätte gern 28, aber das wird natürlich nicht dazu gesagt. schnell den freundeskreis im kopf nachgezählt (ich bin weder gut im zählen, noch gut zu freunden) und schon steckt man in der falle: bundesjugendspiele, bundesliga, bundeswirschaftsministerium. machen wir es kurz: wettbewerb!

aber so habe ich mir das soziale gesicht des kapitalismus (2.0?) nicht vorgestellt: nicht mehr der kampf um die besten köpfe, sondern um die meisten freund. und findige web 2.0-macher (sicher soziologie-studenten mit nebenfach bwl) schaffen die perfekte arena: DAS studiverzeichnis. hätte ich über all das doch vor meiner anmeldung bei studivz.de nachgedacht! denn jetzt weiss ich: in wettbewerben war ich noch nie gut!

"Du hast keine Freunde" sagt mir das web 2.0. und das sitzt. danke für diesen realitäts-touch-down. quälende erinnerungen ans bockspringen im sportunterricht sind jetzt genauso unumgänglich wie das erneute abzählen des realen freundeskreises (notiz an mich selbst: in zukunft doch netter sein). tiefste lebenskriesen müssten folgen, denn wer, wenn nicht wir, glauben dem netz so uneingeschränkt?

na, ich reagier' lieber patzig und denke: wer braucht schon so ein albernes poesiealbum 2.0? und wer freunde, denen nichts besseres einfällt, als "Ey gudde!" oder "Sexy Foto!" reinzuschreiben? "edel sei der mensch, hilfreich und gut" war doch schon schlimm genug! habt ihr/haben wir das nicht langsam mal hinter uns gelassen? und ausserdem: selbstbeweihräucherung betreibt sich in der realität doch immer noch am besten (man muss sich nur trauen)!

einen letzten trost gibt es zumindest für mich: meine studivz-identität ist auch 2.0, sozusagen die fortgeschrittene version von mir. und die ist wirklich so unausstehlich, dass ich selbst nicht mit ihr befreundet sein möchte. weder virtuell, noch real...

höchste zeit, mal wieder über das leben 2.0 nachzudenken (und den sportlichen ehrgeiz zu unterdrücken).

geschrieben ganz und gar ohne jede hilfe des offiziellen studivz.de-songs mit dem debilen titel "inzwischen gruscheln wir jeden tag" (die spinnen doch alle!), sondern mit sufjan stevens - pittsfield und the mistress witch from mcclure (or the mind that knows itself). DANKE für die rettung, sufjan!